Ein Steinpilzrisotto, eine Morchelsauce, ein verschimmeltes Joghurt – Pilze kennen wir als Genussmittel auf dem Teller oder als Lebensmittelverderber im Kühlschrank. Man kann sie auch zur Lebensmittelherstellung (Brot, Bier) oder als Drogen (psychoaktive Pilze) gebrauchen.
Wussten Sie, dass das vermutlich grösste und älteste Lebewesen auf der Erde ein Pilz ist? Der grösste bekannte Pilz der Welt ist ein Dunkler Hallimasch. Er befindet sich in einem Waldboden in Oregon und hat eine Ausdehnung über fast 10 Quadratkilometer. Sein Gewicht wird auf 600 Tonnen geschätzt, sein Alter auf fast 2’000 Jahre. Hallimasch-Pilze leben im Boden, befallen Wurzeln, tote sowie gesunde Bäume und können bis zu drei Meter pro Jahr wachsen. Der Hallimasch gehört zu einer speziellen Klasse von Pilzen, die Holz abbauen können. Nur wenige Pilze sind in der Lage, grössere Totholzstücke effektiv zu zersetzen. Sie spielen damit eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf. Und noch etwas macht den Hallimasch besonders: er ist einer von wenigen Pilzen, die im Dunkeln leuchten.
Aber halt: ein Mikroorganismus, der zu den grössten Lebewesen der Erde zählt? In der Biologie werden Lebewesen einzig auf Grund der mikroskopisch kleinen Grösse ihrer Zellen zu den Mikroorganismen eingeteilt. Die Zellen der Pilze sind mikroskopisch klein, doch bilden Pilze oft ein riesiges Geflecht aus hauchdünnen, durchsichtigen Pilzfäden (Hyphen). Sichtbar werden die Fruchtkörper, der Teil der Pilze, der über der Erde wächst. Während die Hyphen bei den meisten Pilzen sehr ähnlich aussehen, gibt es bei den Fruchtkörpern eine Vielfalt von Formen, Farben und Grössen. Manche von ihnen, wie etwa der Fruchtkörper des Steinpilzes, können so gross wie ein Fussball werden. Andere sind weniger als 1 Millimeter gross. Diese Winzlinge können einen dichten Miniaturwald bilden, der für uns aussieht wie Fell. Bei Schimmelpilzen sieht man das gut.
Was ist ein Pilz?
Pilze sind weder Pflanzen noch Tiere. Ihre Zellen haben einen Zellkern, der das Erbgut enthält. Die Abgrenzung vom Reich der Tiere erfolgt nicht auf Grund der Unbeweglichkeit der Pilze, da auch manche Tiere, wie Schwämme oder Steinkorallen, den grössten Teil ihres Lebens ortsfest verbringen. Wesentliche Unterschiede zu den Tieren bestehen in der Zellstruktur. Wie die Pflanzen haben Pilze eine Zellwand. Die Zellwand der Pilze enthält Chitin, das gleiche Material, das im Panzer der Insekten vorkommt. Die Zellwand der Pflanzen enthält Cellulose. Pilze können nicht wie Pflanzen ihre Nahrung (Zucker) mit Hilfe der Energie aus dem Sonnenlicht, aus Wasser und CO2 herstellen. Wie Tiere müssen Pilze organische Nährstoffe aus ihrer Umgebung aufnehmen. Da sie keinen Mund haben, müssen sie einen Stoff abgeben, der ihre Nahrung auflöst und sie so für sie verfügbar macht.
Giftig oder nicht?
Die meisten Pilze sind für den Menschen ungefährlich. Es gibt essbare Pilze und giftige Pilze. Viele Schimmelpilze bilden Gifte, welche sie in ihre Umgebung abgeben. Es reicht nicht, wenn wir nur die sichtbare Oberfläche einer verschimmelten Koniftüre oder Frucht abschneiden. Das ist nur die Spitze des Eisberges. Unter der Oberfläche sind die unsichtbaren Pilzhyphen, und auch das Gift ist oft schon im ganzen Glas oder über einen Grossteil der Frucht verteilt. Auch Abkochen hilft nichts, da diese Pilzgifte nicht durch Hitze zerstört werden können.
Unter den Pilzen gibt es viele Krankheitserreger, die Pflanzen befallen und zu wirtschaftlich bedeutenden Ernteausfällen führen können. Einige wenige Pilze sind auch als Krankheitserreger beim Menschen bekannt, wie der Fuss- oder Nagelpilz. Viele Pilze bauen tote Pflanzen und Tiere ab und spielen damit eine wichtige Rolle im Kreislauf der Stoffe.
Ein Leben in Symbiose
Einige Pilze leben in Symbiose. Eine Symbiose ist eine Lebensgemeinschaft, in der zwei Organismen völlig verschiedener Arten voneinander profitieren. Man geht davon aus, dass etwa 90 % aller Landpflanzen mit Pilzen eine Symbiose eingehen. Für mitteleuropäische Wälder typisch ist die Ektomykorrhiza, bei der das Pilzmyzel die Wurzeln der Bäume umschlingt und in die Rinde, nicht aber in die Zellen eindringt. Dabei profitieren beide Partner. Die Pflanze erhält über den Pilz mehr mineralische Nährstoffe, da sein feines Myzel den Boden enger durchwirkt, als ihre eigenen Saugwurzeln das könnten. Besonders in nährstoffarmen Böden macht sich diese bessere Versorgung bemerkbar. Umgekehrt erhält der Pilz Zucker, den die Pflanze durch Photosynthese erzeugt.
Wurzelpost?
Neuere Untersuchungen zeigen auch, dass diese Pilze bei der Kommunikation der Bäume untereinander eine wichtige Rolle spielen. Sozusagen als Überbringer von Nachrichten. Mehr und mehr erkennt man auch, dass Bäume nicht nur miteinander reden, sondern auch füreinander sorgen und die Pilze dabei dazu beitragen.
Geniessen wir die guten Pilze in der kommenden Pilzsaison!
Für das Umweltteam: A. Tyndal