Hüseyin Yaprak ist oft am Sonntagmorgen im Gottesdienst anzutreffen. Die Kirche ist ihm Zufluchtsort, und im Gottesdienst erfährt er Gottes Gegenwart und Trost.
Yaprak erzählt: Am 1. Januar 1967 wurde ich in einem Stall in Wärän geboren, eine Viertelstunde nach meinem Zwillingsbruder. Der kurdische Name des Dorfes existiert nicht mehr, denn er wurde von der Türkei in Türkmenören umbenannt. Aufgewachsen bin ich in einer kurdischen Familie. Die Kurden sind ein altes christliches Volk. Mein Grossvater erlebte, wie in unserem Dorf die grosse christliche Kirche zerstört und aus deren Steinen eine Moschee gebaut wurde.
Unsere Eltern haben uns dazu erzogen, grosszügig und gastfreundlich zu leben. In den Jahren, die mein Vater in Deutschland und in der Schweiz gearbeitet hat, hat er gesehen, wie ein Leben in Freiheit aussieht. Zurück in der Heimat hat er sich gegen die Unterdrückung der Kurden eingesetzt. Uns Kinder hat er dazu angehalten, gewaltlos für Gerechtigkeit und Freiheit zu kämpfen. Obwohl mein Vater ein friedliebender Mensch war, wurde er 1986 verhaftet. Auch mein Zwillingsbruder und ich wurden ins Gefängnis gesteckt. Unter Folter wurden wir gezwungen, uns für ein Verbrechen schuldig zu bekennen.
Im Jahr 1990 bin ich aus der Türkei geflohen. Meine Flucht hat mich am Ende in die Schweiz geführt. Einige Zeit habe ich in einem Asylheim in Amden gelebt. Das war für mich wie ein Heimkommen, denn die Berge haben mich an meine Heimat erinnert.
Hier in der Schweiz habe ich mich für mein kurdisches Volk eingesetzt. Ich habe Geld gesammelt für das kurdische Rote Kreuz, ich pflege viele Kontakte und engagiere mich im kurdischen Kulturverein. Ich habe auch an bewilligten Demonstrationen für die Kurden teilgenommen. Das ist wohl der Grund, warum die Türkei ein Auslieferungsgesuch an die Schweiz gestellt hat. Mein damals erpresstes Geständnis diente dabei als Vorwand.
Im Jahr 2012 wurde ich in Auslieferungshaft genommen, doch nach der Zahlung einer Kaution durfte ich wieder bei meiner Familie leben. Drei Jahre später, an einem Sonntagmorgen, wurde ich wieder verhaftet. Drei Jahre lang war ich in einem Gefängnis in Burgdorf eingesperrt. Das war eine ganz schlimme Zeit, aber Gott hat mir geholfen. Das Lesen in meiner Bibel hat mich oft getröstet. Ich habe viel gebetet und viel geweint, und immer am Sonntag habe ich in meiner Zelle ganz allein einen Gottesdienst gefeiert. Mit anderen Menschen zusammen Gottesdienst zu feiern, bedeutet mir darum sehr viel. Ich hoffe und bete dafür, dass mein Einbürgerungsgesuch angenommen wird. Bis dahin lebe ich mit der Angst, an die Türkei ausgeliefert zu werden, und dort wäre mein Leben gar nichts wert.
Meine Bibel und mein Kreuz habe ich immer bei mir. Sie machen mir bewusst, dass Gott mit mir ist, mir den Weg zeigt und mich beschützt.
Hüseyin Yaprak