Urs Gull ist zusammen mit zwei älteren Geschwistern an der Wilstrasse 96, also ganz in der Nähe der Kirche im Wil aufgewachsen. Er erinnert sich an seine Primarschulzeit und erzählt mir davon.
«Ich bin in der Primarschule Wil gewesen und mein Schulweg hat fast an der Kirche vorbeigeführt. Ich habe interessiert zugeschaut, wie die alte Kirche Stück für Stück abgerissen wurde. Besonders spannend ist der Rückbau des Kirchturms gewesen. Die schmale Kirchturmspitze wurde in einem Teil abgehoben und sorgfältig mit einem Kran auf den Boden gestellt. Dann folgte der Glockenstuhl - auch an einem Stück. Dieser ist heute noch intakt und steht beim ReZ im Zentrum von Dübendorf. Die alten Glocken wurden feierlich auf vierspännigen Pferdefuhrwerken durch die Wilstrasse gezogen und im Glockenstuhl beim ReZ montiert.
Damals wurden unter der alten Kirche sehr alte Gräber gefunden, was bei uns Kindern mulmige Gefühle ausgelöst hat, da wir jahrelang nichts ahnend in der Kirche über diese Gräber gegangen sind. Auch der alte Friedhof, der früher um die Kirche angelegt war, verursachte bei der Aufhebung der Gräber, natürlich nach der gesetzlichen Totenruhe, eine nicht alltägliche Stimmung hier im Wil. Da der Boden sehr lehmhaltig war, ist die Verwesung entsprechend langsam gegangen. Es soll vorgekommen sein, dass man bei der Grabaufhebung gewisse Leute noch erkannt hat. Ziemlich gruselig, nicht wahr?
Wir Kinder haben den Kirchenbau beobachtet. Mit meinem Vater und Bruder zusammen sind wir einmal auf den Turm gestiegen. Damals waren die Baustellen noch nicht so abgesperrt wie heute… Das war ein wunderbarer Ausblick von da oben!
Einmal haben wir im Winter die Bauarbeiter geärgert, als wir von der gegenüberliegenden Strassenseite Schneebälle in die Baustelle geworfen haben. Der Polier hat uns gewarnt und hat gerufen, wir sollten sofort aufhören. Das haben wir natürlich nicht gemacht! Als wir Buben gesehen haben, dass er wütend über die Strasse gerannt kam, sind wir davongespurtet. Da der Polier aber schneller war, hat er einen von uns erwischt. Und das war leider ich. Dieser Moment ist mir noch gut präsent, da mir der Polier eine Ohrfeige verpasst hat, die ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde. Heute eine undenkbare Situation. Aber es hat gewirkt. Es wurden nie wieder Schneebälle auf die Baustelle geworfen.
Ein Höhepunkt für uns Schülerinnen und Schüler war der Glockenaufzug. Als der Rohbau des Turmes im Sommer 1970 fertig war, durften wir Kinder die Glocken hinaufziehen. Das war ein richtiges Volksfest! - Erst später habe ich erfahren, dass der grösste Teil des Gewichts von Kränen gehoben wurde und wir Kinder nur die restliche Last hinaufgezogen haben. Zum Glück war das so! Warum? Bei unserer Glocke haben wir Kinder so stark gezogen, dass das Seil gerissen ist. Plötzlich lagen wir alle am Boden und alle haben gelacht. Nein, nur fast alle! Denn ein Mädchen ist dabei über den Randstein gestolpert und hat sich den Arm gebrochen. Sie hat natürlich geweint.
Die Glocken der Kirche im Wil schlagen und läuten nun schon seit über 50 Jahren und tun ihren Dienst. Sie erinnern mich immer wieder an diesen besonderen Tag damals.»